So schreibst du schwule Figuren
Schwule Figuren in den Medien darzustellen, wurde spätestens seit dem kommerziellen Erfolg von Brokeback Mountain immer normaler. Viele Autoren fallen jedoch auf Stereotypen und Klischees zurück, wenn es um den Charakter dieser homosexuellen Männer geht. Als Lektorin sehe ich immer wieder Manuskripte mit schwulen Männern, die sich ausschließlich für das Liebesleben ihrer heterosexuellen besten Freundin und Klamotten interessieren. In diesem Blogbeitrag gebe ich dir fünf Tipps, damit du das beim Schreiben schwuler Figuren vermeidest.
Schwule Figuren sind keine Accessoires für deine Protagonistin
Der Satz „Ich hätte so gerne einen schwulen besten Freund!“ war lange normal unter vielen Frauen. Wie sehr er schwule Männer dehumanisiert, war ihnen nicht bewusst. Dieses Verhalten solltest du in deinem Buch nicht fortführen. Natürlich spricht nichts dagegen, wenn der beste Freund deiner Protagonistin schwul ist. Aber mach ihn nicht zu ihrem Accessoire, das nur für freche Sprüche und Shoppingausflüge dient. Gib ihm eine eigene Geschichte mit Zielen und Rückschlägen. Lass die Protagonistin auch mal für ihn da sein. Statte ihn mit kreativeren Interessen aus als den Stereotypen wie einem Schuhfetisch.
Schwul Sein ist kein Charakter und kein Plot
Die Frage “Warum musste diese Figur schwul sein?” ist schädlich. Es braucht immerhin auch keinen Grund, aus dem eine Figur heterosexuell ist. Genauso ist es mit homosexuellen Figuren in Büchern: Sie sind es einfach. Worauf du aber achten solltest, ist, dass ihr Schwul Sein nicht der einzige Charakterzug deiner Figur ist. Eine Sexualität ist nämlich kein Charakter.
Und sie bestimmt auch keine Charakterzüge. Soll heißen: Deine schwule Figur muss nicht extravagant mit einer dicken Schicht Make-Up sein. Lass ihn klassisch ‚männliche‘ Dinge wie Motorräder und Kampfsport mögen. Lass ihn Bücher oder Videospiele lieben. Lass ihn einen Reiseblog führen. Sei kreativ und vielseitig, wie bei anderen Figuren auch.
Neben dem Charakter deiner Figur sollte auch der Plot deines Romans nicht nur von der Sexualität deiner schwulen Figur handeln. Gerade, wenn du ein hetero Autor bist, solltest du nicht versuchen, über das Leben als schwuler Mann zu schreiben. Es sind nicht deine Erfahrungen. Schwule Autoren schreiben darüber selbst. Schreibe homosexuelle Figuren in verschiedenen Geschichten, lass sie Seefahrer sein, Kindergärtner, Fußballer. Alles, worum es in deiner Geschichte geht, kann auch einem schwulen Mann passieren.
Homosexuelle Figuren können glücklich sein
In meinem Blogbeitrag zur Bury your Gays Trope beschreibe ich die lange Tradition aus den Medien, LGBT Figuren ein tragisches Ende finden zu lassen. Dies wirkt sich negativ auf Menschen aus der Community aus: Wer immer sieht, dass Personen wie er oder sie sterben oder vereinsamen, geht davon aus, dass sein eigenes Schicksal nur so aussehen kann.
Neben diesen schädlichen Auswirkungen solltest du solche Narrative vermeiden, weil sie bereits so oft erzählt wurden. Lasse die Familie deine homosexuelle Figur akzeptieren, lasse sie eine Gemeinschaft oder Beziehung finden und eine sichere, erfüllende Arbeitsumgebung. Damit hebt dein Buch sich von vielen anderen ab. Und der LGBT Teil deiner Leserschaft wird es dir danken, ebenso wie viele hetero Leser.
Natürlich heißt das nicht, dass deine schwulen Figuren nur glückliche Leben führen sollten. LGBT Personen erleben Schwierigkeiten, wie jeder andere Mensch, und spezielle Probleme, die mit ihrem Schwul Sein zu tun haben. Aber diese Situationen entstehen aus ihrer Menschlichkeit, nicht aus ihrer Sexualität. Lies mehr zu dem Thema in meinem Blogbeitrag.
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Diversität in der Repräsentation
Nicht nur die Interessen deiner homosexuellen Figuren können vielseitig sein. Auch ihre Herkunft kann divers sein. Es gibt schwarze und asiatische schwule Männer, schwule Muslime und Juden, schwule reiche und arme Männer, homosexuelle behinderte Männer, trans Männer. Es gibt keine monolithische ‚schwule Erfahrung‘. Zeige diese Diversität und beschränke dich nicht nur auf weiße, nicht behinderte cis Männer. Wenn du mit Recherche und Kommunikation mit der Community an deinem Buch arbeitest, wirst du es reicher gestalten können, als bei einer einheitlichen Darstellung.
Dasselbe gilt für eventuelle Partner deiner Figuren: Es muss nicht immer ein weißes schwules Paar sein. Und auch diverse Paare bestehen nicht ausschließlich aus einem weißen und einem schwarzen Mann.
Romanzen zwischen schwulen Figuren in Büchern
In vielen Büchern gibt es, wenn überhaupt, nur eine relevante schwule Figur. Für die wird dann am Ende eine zweite Figur dazu geschustert, mit der er zusammenkommen kann. Chemie gibt es kaum. Aber Schwule verlieben sich nicht, nur, weil ein anderer Mann schwul ist. Genau wie andere Menschen braucht es dafür eine Verbindung, gemeinsame Interessen, Empathie und Zeit. Gönn deinen schwulen Liebesbeziehungen genauso viel Sorgfalt wie heterosexuellen.
Falls es keine Chemie zwischen den Figuren gibt: Warum schreibst du sie dann nicht als Freunde? Es ist statistisch ziemlich unlogisch, dass es genau einen schwulen Freund in einem Freundeskreis gibt. Menschen suchen sich schließlich Leute, die ihnen ähnlich sind und sie verstehen. Deshalb haben die meisten LGBT Menschen viele LGBT Freunde. Diese Freundschaften in einem Roman zu erforschen, ist genauso interessant wie eine Romanze.
Außerdem gibt es ein paar Typen von Beziehungen zwischen schwulen Figuren, die du vermeiden solltest. Beispielsweise wurde schon oft gezeigt, dass ein schwuler Mann sich in seinen hetero besten Freund verliebt. Während das durchaus passiert, ist es sicherlich nicht die Norm. Auch das Vorgehen, dass eine schwule Beziehung erst ganz am Ende eines Buches zustande kommt oder unglücklich endet, wurde schon häufig beschrieben. Lass das schwule Paar in deinem Roman früher zusammen kommen und erforsche ihre Beziehungsdynamik. Lass sie schon vor Handlungsbeginn zusammen sein. Trau dich, andere Wege zu gehen!
Eine schwule Figur macht dich nicht zum Ally
Repräsentation ist schön und wichtig. Aber es gehört mehr dazu, als eine Figur in deinem Roman ‚schwul‘ zu nennen und ihn mit deiner Protagonistin shoppen zu schicken. LGBT Personen existieren nicht zum Vergnügen heterosexueller Menschen, und das sollten LGBT Figuren in deinen Büchern auch nicht. Kurz gesagt: Verwende so viel Sorgfalt darauf, schwule Figuren zu schreiben, wie für alle anderen Figuren.
Im Lektorat stehe ich dir bei allen Fragen rund ums Schreiben von LGBT Figuren zur Seite. Für tiefergehende Fragen zu den Erfahrungen schwuler Männer solltest du aber einen Sensitivity Reader heranziehen. Was das ist, kannst du in meinem Blogbeitrag nachlesen.