Wie beschreibe ich trans Figuren richtig?

Wie beschreibe ich trans Figuren richtig?

Trans Charaktere zu beschreiben, ist Teil davon, eine diverse Figurenwelt zu erschaffen. Gerade für cis hetero Autor:innen kann das aber eine Herausforderung sein. Wie beschreibt man die geschlechtliche Identität einer Figur überhaupt? Bei cis Figuren – also Figuren, die sich mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugeschrieben wurde – scheint das überhaupt nicht erwähnenswert. Wird nichts anderes von Autor:innen beschrieben, gehen Leser:innen automatisch von eben dieser Geschlechtsidentität aus.

Es gibt ein paar Wege, diese Identität respektvoll einzuführen – und ein paar, die man vermeiden sollte. In diesem Blogbeitrag stelle ich einige Möglichkeiten vor. Dabei möchte ich voranstellen, dass ich zwar Teil der LGBT Community bin und mich mit dem Thema auseinandergesetzt habe. Jedoch bin ich selbst nicht trans. Die verlässlichsten Informationen kommen immer von den Menschen, welche bestimmte Erfahrungen gemacht haben.

Traumata nicht ausweiden

Zunächst etwas Grundlegendes: Trans zu sein, ist nicht von Natur aus traumatisch und es ist nicht alles, was einen Menschen ausmacht. Gib ihr oder ihm, wie allen anderen Charakteren deiner Geschichte, Interessen, Stärken und Schwächen. Vermeide, die Figur lange Monologe über ihre Identität führen zu lassen, in denen du alles rezitierst, was du in deiner Recherche gelernt hast. 

Und vor allem: Gerade als cis Autor:in solltest du dich nicht auf die Traumata der trans Erfahrung fokussieren. Damit sind Gefühle und Gedanken verbunden, die Betroffene beschreiben sollten. Das heißt nicht, dass es keine emotionalen Gespräche über das Thema geben kann. Jedoch sollten solche schmerzhaften Situationen nicht der einzige Zugang zu der Geschlechtsidentität sein.

Schreibe direkt, dass eine Figur trans ist, und deute es nicht nur an.

Die Sache beim Namen nennen

 Das Coming Out muss kein großer, emotionaler Moment sein. Es kann einfach etwas sein, das die andere Figur wissen soll. Wichtig ist aber, die trans Identität zu benennen. Es gibt natürlich auch Möglichkeiten, Andeutungen zu machen – und dazu später mehr. Aber trans sein ist keine Sache, für die man sich schämen muss und daher nicht aussprechen kann. Herangehensweisen wie von J.K. Rowling, die im Nachhinein behauptet, Figuren wären LGBT, oder von Disney, die durch stereotype Darstellungen Hinweise auf die Identität ihrer Figuren geben, sind hochproblematisch. Daher solltest du sie in deiner Geschichte vermeiden. 

Ein Beispiel, wie du eine trans Figur beschreiben kannst.

 

Benjamin kam aus der Toilette, die Brauen angespannt gefurcht. „Hast du einen Tampon? Ich habe meine vergessen“, wandte er sich an Jane. 

Während Aiden überrascht dreinsah, nickte Jane und produzierte das Gewünschte aus ihrer Handtasche. Benjamin nahm den Tampon dankend an, erst dann bemerkte er Aidens Überraschung. 
„Ah, richtig, das habe ich noch gar nicht gesagt“, sagte er. Seine Augen scannten Aiden, schienen zufrieden mit dem, was sie fanden, denn er lächelte wieder. Jane machte ein Geräusch, als würde sie ihn unterbrechen wollen, doch er ließ sich nicht beirren: „Ich bin trans.“ 
„Oh.“ Aiden blinzelte, dann nickte er. „Ja. Ich… Okay.“ 
Benjamin lachte und entschuldigte sich – er musste einen Notfall beseitigen. Aiden bemerkte Janes überraschten Blick auf sich und sah sie seinerseits fragend an. 
Sie fuhr sich durch die Haare. „Ich hatte nicht erwartet, dass du das so … Lässig aufnimmst“, erklärte sie. 
Aiden zuckte die Schultern. „Es geht mich  nichts an, oder? Und wenn überhaupt, würde ich mich auch freuen, wenn jemand meine Identität akzeptiert.“ 

Obwohl Jane die Augen verdrehte und schnaubte, waren die zuvor harten Linien um ihren Mund etwas weicher. 

Schreibe direkt, dass eine Figur trans ist, und deute es nicht nur an.

Die Szene erreicht verschiedenes. Zum einen ist es nicht die erste Begegnung von Aiden und Benjamin. Während die trans Identität bereits zuvor angedeutet wurde, wird sie hier das erste Mal explizit. Das Outing zeigt die tiefer werdende Beziehung der Männer: Benjamin vertraut dem neuen Freund genug, um seine Identität mit ihm zu teilen. Dadurch behält er die Kontrolle über seinen Status. Aidens Reaktion auf die neue Information ist milde überrascht bis positiv. Die beiden sind erst dabei, Freunde zu werden, weshalb es kein sehr emotionaler, sondern eher ein beiläufiger Moment ist. In deiner Geschichte kann dies aber auch ein wichtiger Bindungspunkt zweier Figuren sein. 

Deine Figuren sollten neutral bis positiv auf das Coming Out reagieren, wenn es nicht Teil ihrer Charakterentwicklung ist, offener zu werden. Um diese Entwicklung angemessen bearbeiten zu können, sollte das Outing nicht zu spät in der Geschichte passieren. Leser bekommen dadurch auch Zeit, den Einfluss auf den Handlungsbogen zu verstehen. 

Übermäßig überraschte Reaktionen wie „Darauf wäre ich nie gekommen!“ scheinen zunächst schmeichelhaft. Tatsächlich fördern sie aber den Glauben, dass man die Geschlechtsidentität von Menschen immer sehen kann – was nicht der Fall ist. Reagiert eine cis Figur zunächst mit so einer Aussage, sollte deine trans Figur sie auf diesen Fehler hinweisen. 

Ein ungewolltes Outing – etwa durch die Nennung des toten Namens – sollte dagegen vermieden werden. 

Nutze Hinweise, um die trans Identität deiner Figur anzudeuten.

Subtile Hinweise einbauen

Gerade bei der ersten Begegnung der Point of view Figur mit einer trans Figur wird diese sich vermutlich nicht direkt outen. Es können aber bereits erste Hinweise auf ihre Geschlechtsidentität gegeben werden. 

Eine Möglichkeit, auf die trans Identität einer Figur hinzuweise, ist es, abweichende Tagesabläufe zu beschreiben. Beispiele dafür sind die Einnahme von Hormonen oder das Anlegen von Bindern. Recherche ist hier wie immer der Schlüssel, um diese Dinge richtig zu beschreiben. 

Es ist möglich, körperliche Zeichen als Andeutung einzubauen. Jedoch ist hier viel Fingerspitzengefühl gefragt, um nicht in transphobe Klischees oder Tropen zu stolpern. Solche Zeichen, wie etwa der Bartwuchs einer trans Frau, sollten von Erzähler und Figuren neutral und nicht schockierend beschrieben werden. 

Viele Narrative nutzen die toten Namen von trans Figuren, um ihre Identität anzudeuten. Die alte Identität wird meist außerhalb der Kontrolle der betreffenden Figur erwähnt. Eine solche Erfahrung kann für trans Leser extrem schmerzhaft sein. Dieses Vorgehen kann effektiv sein, jedoch sind Arten des Outings zu bevorzugen, welche der Figur mehr Initiative überlassen. 

Weitere Ideen, trans Figuren einzuführen, sind:

  • Ein Mann zieht eine Schwangerschaft in Betracht oder eine Frau überlegt, jemand anderen zu schwängern. 
  • Eine trans Frau sucht nach High Heels in extra großen Größen.
  • Eine Figur spricht über die Wahl ihres Namens oder probiert einen potenziellen neuen Namen, der vielleicht nicht ihr endgültiger ist.
  • Bilder oder Geschichten aus der Vergangenheit zeigen, dass ein Charakter sich früher als ein anderes Geschlecht präsentierte. 
  • Die Figur trägt die Farben der trans Flagge.
Outings von trans Figuren, die du vermeiden solltest

Outings, die du vermeiden solltest

Für cis hetero Autor:innen kann es sich schwer anfühlen, trans Figuren richtig und sensibel einzuführen. Im Zweifelsfall solltest du sensitivity Reader hinzuziehen, um keine negativen Stereotype zu verbreiten. Bereits in deiner Planung und dem Schreibprozess kannst du darauf achten, einige Dinge zu vermeiden. 

Eines davon ist es, deine Figur transphobem Hass auszusetzen, eine andere, gegen den eigenen Willen geoutet zu werden. Diese Erfahrungen beschreiben trans Personen am besten selbst. Zudem können sie auf trans Leser:innen triggernd wirken. Das ist der falsche Weg, Geschichten düsterer oder „tiefgründiger“ zu machen. 

Fixiere dich nicht auf die Genitalien deiner trans Figur. Mal ehrlich: Würdest du – außerhalb von Erotikgeschichten – viel über die Geschlechtsmerkmale deiner Figur erzählen? Dann überlege, wieso du das bei einer trans Figur erwähnen musst. Die trans Community hat deutlich gemacht, dass diese Trope unhöflich und transphob ist. Wer eine sensible Darstellung anstrebt (was du hoffentlich tust), sollte darauf Rücksicht nehmen. 

Wenn dein Love Interest trans ist oder der Love Interest herausfindet, dass der Protagonist trans ist, sollte die Reaktion nicht Schock darüber sein, sich zu einer trans Person hingezogen zu fühlen. Die einzige Ausnahme ist, wenn die „erschrockene“ Person lernt, was an ihrem Verhalten problematisch war. Gehe mit solchen Themen als cis Autor sehr vorsichtig um. 

Dysphorie – also das Unbehagen im eigenen, geschlechtlich zugeordneten Körper – ist schwer zu erklären, wenn man sie nicht selbst erlebt hat. Cis Autoren sind besser beraten, gerade detaillierte Beschreibungen trans Autoren zu überlassen. Auch mit Erwähnungen solcher Gefühle ist vorsichtig umzugehen. Es handelt sich um ein Thema, mit dem viele trans Personen täglich zu tun haben. Das in einem leichtherzigen Buch zu erwähnen, kann den Ton der Geschichte stören. 

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Der richtige Weg, um trans Figuren zu beschreiben.

Der richtige Weg

In diesem Blogbeitrag habe ich ein paar Arten vorgestellt, auf die trans Figuren gut dargestellt werden können und einige, die du vermeiden solltest. Der beste Weg dazu hängt aber von deiner Geschichte und ihrer Zielgruppe ab. Gerade als cis Autor:in ist es wichtig, die eigene Intention zu hinterfragen: Wieso bist du geeignet, über die Schwierigkeiten der trans Erfahrung zu berichten? Was kannst du sagen, das nicht nur Spektakel ist und das eine trans Person nicht besser sagen könnte? 

Das bedeutet nicht, dass du keine trans Figuren schreiben solltest. Im Gegenteil, es ist gut, dass du deine fiktive Welt divers gestalten möchtest. Aber wie mit allen Themen, die nicht aus deiner Lebenserfahrung stammen, bedarf es Recherche und Fingerspitzengefühl. Informiere dich auf jeden Fall durch Lektüre über verschiedene trans Erfahrungen. Empfehlen kann ich unter anderem Linus Gieses „Ich bin Linus: Wie ich der Mann wurde, der ich schon immer war“

Wie schon öfter erwähnt, sind Recherche und Feinfühligkeit die wichtigsten Voraussetzungen. Dazu gehört das Wissen, welche Themen du als cis Autorin lieber vermeiden solltest. Veränderungen am Körper, die Erkenntnis über das eigene Geschlecht und das erste Ausprobieren einer anderen Geschlechtsdarstellung sind solche Felder. Versuche, die Balance zu halten zwischen unmerkbaren Andeutungen und melodramatischen Ausführungen. Trans Sein ist nichts, für das man sich schämen muss. Das sollte in deiner Geschichte spürbar sein. Es muss auch nicht immer ein großes Thema sein. 

Du brauchst keinen „Grund“, eine trans Figur zu beschreiben, wie viele Leute bei LGBT Figuren insgesamt erwarten. Die Welt ist divers, und als solche beschreibst du sie. Das ist Grund genug. Und mit den hier beschriebenen Tipps schaffst du das auf eine elegante, respektvolle Art.

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