Darstellung und Auswirkungen von Geschlechterstereotypen in Medien
Die Debatte um Gendern in der Sprache und Schrift hat in den letzten Jahren Fahrt aufgenommen. Es wird diskutiert, welche Art des Genderns die richtige ist: Doppelpunkt, Gendersternchen, Unterstrich oder Beidnennung? Noch gibt es keine Standardform, was eine einheitliche Gestaltung schwierig macht. Auf der anderen Seite gibt es Menschen, die sich gegen genderneutrale Sprache äußern. Sie finden alle Varianten sperrig und unnötig. Bisher ging es doch auch ohne solche Anpassungen.
Tatsächlich lassen sich aber gesellschaftliche Auswirkungen unseres Sprachverhaltens nachweisen. So argumentiert beispielsweise Professor Doktor Hilke Elsen in ihrem Buch „Gender – Sprache – Stereotype“, dass Sprache sich auf das Denken und Handeln auswirkt und Rollenbilder transportiert. Anhand verschiedener Studien zeigt sie die Auswirkungen von herkömmlicher Sprache im Schulunterricht auf die Entwicklung von Kindern.
Während Elsen sich mit der kindlichen Entwicklung beschäftigt, schreibt Inga Dormiens in „Darstellung und Auswirkungen von Geschlechterstereotypen in Medien“ über Erwachsene.
Der Zusammenhang von Medien, Geschlecht und Stereotypen
Eines der größten Probleme mit Stereotypen ist ihre Eigenschaft, sich selbst zu reproduzieren. Medien spielen in diesem Kreislauf eine immer größer werdende Rolle. Beispielsweise erleben Menschen unbewusst geschlechtskonformes Sprachverhalten in den sozialen Medien sowie Film und Fernsehen. Inga Dormiens untersucht, wie Geschlechterstereotypen in Medien sprachlich transportiert werden. Dies geschieht durch eine wechselseitige Beeinflussung von Medien und Rezipient:innen.
Dabei wird von einer Kommunikationssituation zwischen Medienrezpient/innen und -produzent/innen ausgegangen. Diese verhalten sich in einer Wechselwirkung gegenseitiger Beeinflussung. Zunächst erklärt die Autorin, was Stereotype überhaupt sind.
Was sind Stereotype?
Stereotype entstehen, indem Menschen Sprache, Interaktion, Handlungsweisen im Alltag beobachten, die häufig im Zusammenhang mit Gruppen oder Konzepten gezeigt werden. Um die Realität zu ordnen, werden diese begrenzten Eindrücke verallgemeinert. Die daraus hervorgehenden Vorstellungen zu den Gesellschaftsgruppen sind starr und entsprechen nicht den aktuellen Vorstellungen. Dennoch bilden sie einen Rahmen dessen, was gesellschaftlich als normal und unnormal empfunden wird.
Diese vereinfachte Verarbeitung von Informationen beginnt im Kindesalter. Sie ermöglicht es Mädchen und Jungen, die Welt zu begreifen. Stereotype Vorstellungen nehmen sie durch die Sozialisation auf. Das geschieht direkt über Aussagen wie „Jungs weinen nicht“ und indirekt über vorgelebtes Verhalten, also beispielsweise, dass die Mutter den Haushalt alleine führt. Mit etwa zehn Jahren haben Kinder Geschlechterstereotypen erworben. Aber auch Erwachsene lernen Stereotype ihr Leben lang. So wird der Umgang mit anderen ökonomisiert.
Geschlechterstereotype bilden sprachlich die gesellschaftlichen Erwartungen an Frauen und Männer ab. Sie sind nicht nur beschreibend, sondern auch handlungsauffordernd: Wer den Erwartungen an sein Geschlecht nicht genügt, muss mit Ausgrenzung rechnen. Verstärkt werden Stereotype nicht nur durch direkte Kommunikation, sondern auch durch den Konsum von Medien.
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Stereotype in den Medien
Dormiens argumentiert in „Darstellung und Auswirkungen von Geschlechterstereotypen in Medien“, dass Menschen Stereotypen auch passiv ausgesetzt sind. Dies geschieht etwa beim Konsum von Medien. Bereits an den Titeln vieler Sendungen lässt sich das Geschlecht der Zielgruppe sowie das Verständnis des Geschlechterverhältnisses erkennen. Programme ‚für Männer‘ besitzen oft Titel, in denen Gewalt und Waffen erwähnt werden, während ‚Frauensendungen‘ eher nach Gefühlen benannt sind. Auch Werbungen portraitieren die Geschlechter nach wie vor nach stereotypen Rollenbildern: Männer dominieren Werbung für Autos, beschrieben durch Worte wie „schnell“, „dynamisch“, „kraftvoll“, Frauen zeigen Kosmetikprodukte („Jugend“, „Schönheit“, „Glanz“) oder Haushaltsgeräte. Zwar werden inzwischen öfter auch Männer bei der Hausarbeit gezeigt. Oft stellen sie sich dabei aber albern an und brauchen Hilfe von der ‚erfahrenen Hausfrau‘.
Eine Werbung für das Sprachsystem „Amazon Echo“ zeigt beispielsweise einen jungen Vater. Ohne die über das Gerät gegebenen Anweisungen der Mutter wäre er mit seinem Kind überfordert. Dabei kommt der Mann nicht zu Wort. Die Frau ist es, die bereits zu Beginn weiterhin die Fürsorgepflicht übernimmt. Stellvertretend für sie gibt die weibliche Stimme des Soundsystems Anweisungen und versichert den Vater am Ende der Liebe der Frau. Während die Werbung eigentlich fortschrittlich sein soll – die Frau ist unterwegs, der Mann versorgt das Kind – wird unterschwellig weiter suggeriert, dass es die Aufgabe der Frau ist, sich zu kümmern.
Die mediale Darstellung von Männern und Frauen hat sich folglich verändert. Stereotype werden nicht mehr so direkt bedient wie vor einigen Jahren. An manchen Stellen gibt es neue Vorstellungen, die das gesellschaftliche Ideal von Männlichkeit und Weiblichkeit prägen. Welche das sind und wie sie sich auf die Darstellung von Männern und Frauen in den Medien auswirken, untersucht Inga Dormiens in ihrem neuen Buch.
Mit ihrer soziolinguistischen Abhandlung veröffentlicht Dormiens bereits ihr zweites Fachbuch. In ihrem ersten Werk spricht die Autorin über die Darstellung von Tanz in skandinavischen Texten. Mehr dazu erfährst du in meinem Buchbericht.
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